Interview zu "He's Expecting" mit Lisa
In Eri Sakais Manga He’s Expecting – Seine erste Schwangerschaft erlebt der Protagonist Kentaro Hiyama eine ganz besondere Überraschung: Er ist schwanger! Dabei muss er sich nicht nur mit den körperlichen Veränderungen zurechtfinden, sondern wird als schwangerer Mensch auch mit herausfordernden Meinungen und Situationen konfrontiert. Wie dies aussieht und was den Titel so besonders macht, erzählt unsere Redakteurin Lisa in einem kleinen Interview.
Bei der Recherche in einem Kodansha-Katalog fiel mir diese Lizenz ins Auge. Der Stil des Titels hob sich von den aktuellen Trends ab und er war bereits knapp 10 Jahre – trotzdem wurde eine Verfilmung dazu angekündigt: Das war He’s Expecting. Ich wurde sehr neugierig, wie das Thema (männliche) Schwangerschaft behandelt wird, habe mich also weiter eingelesen und wurde mit einer ernsten und zugleich humorvollen Geschichte belohnt, deren Themenschwerpunkte kaum aktueller sein könnten. Durch die Besonderheit der männlichen Schwangerschaft erhält nicht nur der Protagonist Kentaro, sondern auch die Leser*innen neue, ungewohnte Perspektiven auf die Themen Schwangerschaft und Elternsein, Care-Arbeit und Mental-Load.
Protagonist der Geschichte ist Kentaro Hiyama, den die Leser*innen ab der Feststellung seiner Schwangerschaft begleiten. Neben Kentaros Erfahrungen werden auf lockere Weise andere Geschichten von (schwangeren) Personen eingebunden. Sie teilen die Vorfreude, aber auch Sorgen und Ängste, und stellen sich schwierigen Themen wie Abtreibung, das Leben als Alleinerziehende oder die Stigmata, die Eltern im Berufsleben erfahren (á la »Du musst schon wieder früher gehen, weil dein Kind krank ist?«). Der Manga legt den Finger in die Wunde, wenn »dank« der männlichen Schwangerschaft plötzlich Themen wie (unbezahlter) Erziehungsurlaub, Kinderbetreuung oder Eltern-Angebote mehr Gehör finden. Denn diese Themen sind in unserer Realität mehr als akut und modernisierungsbedürftig. Protagonistin Aki (Mutter von Kentaros Baby) merkt beispielsweise zynisch an: »Als Männer schwanger werden konnten, floss das Geld sofort …«
Was betont aber werden muss: Die Geschlechter werden in der Geschichte nicht gegeneinander ausgespielt! Der Manga zeigt vielmehr, wie unterschiedlich Menschen in der Rolle der gebärenden Person wahrgenommen werden. Es geht darum, eine Sensibilität für die Sorgen und Nöte seiner Mitmenschen zu gewinnen – ganz egal, ob man davon selbst betroffen ist oder nicht. Und das gilt nicht nur für Schwangerschaften, sondern lässt sich auf andere Lebensbereiche übertragen. Insbesondere, wenn auch dort die eingefahrenen Rollenstrukturen einer patriarchalisch geprägten Gesellschaft zum Tragen kommen (man denke beispielsweise an gleichgeschlechtliche Ehen, die Betreuung von pflegebedürftigen Familienmitgliedern etc.).
Im Dezember erschien bei uns der Einzelband zur Netflix-Reihe He's expecting
Dieser Titel ist spannend für alle Leser*innen, die sich für Familiengründung und Rollenverständnisse interessieren, sich aktuell vielleicht mit feministischer Literatur und Comics beschäftigen und die Lust auf einen Manga haben, der sich mit den Problemen unserer Gesellschaft befasst. Übrigens muss man für diesen Titel weder Elternteil sein, noch einen Kinderwunsch haben – sondern vor allem Lust daran, die eigene Perspektive auf unterschiedliche Lebensentwürfe zu reflektieren und die eigene Meinung vielleicht zu überdenken.
Hier kommen unsere Fragen an Redakteurin Lisa:
Eri Sakai bindet in ihrem Werk immer wieder Fragen und Situationen ein, die dazu einladen, einen Reality-Check unserer Gegenwart vorzunehmen. Im Manga wird Kentaro beispielsweise von vielen angefeindet, dass er als Mann das Kind austragen will, denn »Kinderkriegen ist ja Frauensache«. Warum sollte sich ein Mann denn nicht ebenso gut um ein Kind kümmern können? Und ist man keine Frau, wenn man kein Kind austragen kann oder will? An anderer Stelle zeigt die Mangaka, wie Aki mit ihrer Rolle als Mutter klarkommen muss, die keine feste Beziehung zum Vater hat. Welche Erwartungen liegen auf ihr als Person, die ein Kind gezeugt hat, es aber nicht austrägt? Diese Perspektivwechsel laden Leser*innen dazu ein, die eigene Meinung zu diesen Themen zu hinterfragen und beispielsweise immer mal wieder mitzudenken: »Würde man das auch eine Frau fragen?«
Die Serie basiert lose auf dem Manga, holt die Zuschauer mit einem modernen Setting ab und setzt auf Trends der Gegenwart, wie zum Beispiel die Einbindung von digitalen Medien. Kentaro bleibt auch hier der Protagonist, allerdings sind die Personenkonstellationen verändert und auch die Story und Erzählstruktur wurde angepasst. Die Auseinandersetzung mit sozialen Ungerechtigkeiten findet aber natürlich auch statt.
Wir hoffen, euch hat das Interview gefallen! Und wenn ihr mal in den Titel reinlesen möchtet, findet ihr hier eine Leseprobe.