Interview mit Esa Parr
TP: Die Veröffentlichung von Ermafrodito – Harlows Begehren liegt inzwischen über ein Jahr zurück. Wie ist es jetzt eine Mangaka zu sein? Hat sich etwas verändert?
EP: Es ist merkwürdig, dass sich mein Kindheitstraum, an den ich über 15 Jahre nonstop gedacht habe, erfüllt hat. Nachdem sich der erste Trubel gelegt hatte, kam ich schon ins Grübeln und habe mir gedacht: „Und was jetzt?“ Ich hatte tatsächlich nie darüber nachgedacht, was danach kommen würde, sollte ich dieses irrwitzige Ziel jemals erreichen. Aber dann habe ich mich neuen bzw. alten Geschichten gewidmet und stürzte mich wieder ins Plotten und Zeichnen. Nach der ersten Veröffentlichung bin ich hungrig nach mehr geworden.
TP: Ermafrodito – Harlows Begehren erscheint jetzt auch in den USA bei TOKYOPOP. Wie fühlt es sich für dich an, dass dein Werk den Weg über See gefunden hat und in Amerika veröffentlicht wird?
EP: Ich glaube es erst wirklich, wenn ich es schwarz auf weiß sehe! Die USA ist ein so unglaublich großes Land und liegt auf der anderen Seite der Welt. Bisher verbinde ich noch nichts damit und kenne das Land nur von Weltkarten bzw. aus Filmen und Serien. Es fühlt sich so weit weg an. Aktuell kann ich mir noch gar nicht vorstellen, dass es dort Menschen gibt, die bald meine Geschichte lesen werden, die ich mir zuhause an meinem Schreibtisch ausgedacht habe. Ich mache mir aber trotzdem Gedanken darüber, wie die Reaktionen der amerikanischen Leser ausfallen werden. Über einige Dinge in dieser Geschichte werden sie sicherlich anders denken als meine deutschen Leser.
Ihr seid eigentlich gar kein so großer Shojo Fan? Dann probiert mal diesen Manga aus! Denn hier wird so ziemlich alles aus Shojo-Manga aufs Korn genommen – ok, Romantik gibt es natürlich auch!
Koume Yoshida ist ein ganz gewöhnliches Mädchen und kann kaum glauben, was sie an der Kronakademie für Superreiche erlebt: Der Schulprinz und Schülerratspräsident Hatsuyuki Ichimonji wird von der ganzen Schule angehimmelt. Ausgerechnet Ichimonji entwickelt ein Interesse an Koume und beginnt sie von da an auf seine unachahnliche Art zu hofieren. Massen von Blütenblätter sind da noch Koumes kleinstes Problem. Der Schülerrat schützt seinen Präsidenten nämlich rigoros und ist gar nicht glücklich, dass der Prinz Koume gewählt hat. Kann sie sich diesen Angriffen erwehren?
Diesen Girls-Love-Titel muss man einfach gelesen haben! Die Serie über die rebellische Yuzu und die ernste Mei ist so beliebt, dass sogar schon ein Sequel herausgekommen ist (Citrus+).
Gleich an ihrem ersten Tag an der Mädchenschule wird Yuzu wegen ihres lockeren Aussehens von der ernsten Schülerpräsidentin Mei zurechtgewiesen. Daraufhin geht ihr Mei nicht mehr aus dem Kopf! Doch es kommt noch viel verrückter: Wie sich herausstellt, werden Mei und Yuzu durch die Hochzeit ihrer Eltern plötzlich Schwestern! Bald erleben die beiden ein Wechselbad der Gefühle.
U m etwas Abstand zu seinem gewohnten Umfeld zu gewinnen, besucht der 18-jährige Minato Kusaka seinen Opa auf dem Land. Dort begegnet dort Seth Kirishima, der als als »Sonnenschirm-König« bekannt ist, da er immer mit einem Damenschirm unterwegs ist. Die beiden verbringen immer mehr Zeit miteinander und vertrauen sich schließlich einander an, was sie auf dem Herzen haben. Und obwohl Seth wesentlich älter als Minato ist, fühlt er sich immer mehr zu ihm hingezogen …
Dramatik und eine fesselnde Liebesgeschichte findet ihr in dem Boys-Love-Titel Blue Lust!
Durch Zufall kann Hayato seinen neuen Mitschüler Soma von einem Selbstmordversuch abhalten. In der Folge entwickelt er eine Art Beschützerinstinkt gegenüber dem schüchternen Jungen und hilft ihm dabei, sich sozial zu integrieren. In der Mittelschule hatte Hayato einen schwulen Freund geoutet, der somit zum Mobbingopfer wurde, was ihm noch nachhängt. Doch als Soma mehr von ihm will, sieht sich Hayato mit einer ähnlichen Situation wie damals konfrontiert ...
Unsere Eigenproduktion mit der deutschen Mangaka Esa Parr ist wirklich eine Erfolgsgeschichte: Ihre Boys-Love Geschichte Ermafrodito – Harlows Begehren erschien letztes Jahr bei uns und eroberte mit ihren interessanten Figuren, dem historischen Setting und der ausgefallenen Story jede Menge Herzen. Ab heute wird ihr Werk auch in den USA veröffentlicht. Wir haben das zum Anlass genommen, Esa ein paar Fragen zu stellen:
TP: Dein Erstwerk verbindet das wissenschaftliche Thema der Anatomie ganz gekonnt mit Fleischeslust zwischen Männern. Wie bist du auf diese Geschichte rund um die Akteure Giorgio, Harlow und Belfore gekommen?
EP: Das ist leider eine recht unromantische Geschichte: Ich wollte einen Manga zeichnen, der sich für ein Debüt bei einem Verlag eignet. Daher sollte es unbedingt ein Einzelband werden. Anschließend habe ich über einige Wochen alle Themen aufgeschrieben, die mich interessieren und geprüft, was davon zusammenpassen könnte. Das waren letzten Endes: Venedig, Renaissance, Kunst, Alchemie, Medizin und der Zirkus. Am Anfang war Harlow noch Teil einer Artistengruppe eines fahrenden Zirkus, der für den Karneval nach Venedig kam. Giorgio war anfangs noch mit seinem Gehilfen Belfore auf der Suche nach dem Stein der Weisen. Doch dann hatte ich den Gedanken, Harlow als Hermaphroditen zu konzipieren. Das hat mit einem Schlag alle losen Fäden der Handlung zusammengeführt und endlich eine Erklärung geliefert, warum diese drei Hauptakteure überhaupt zueinander finden. Dass die Charaktere dabei noch einige Änderungen durchlebten, war unvermeidlich, aber trotzdem war diese Entscheidung für mich und die Geschichte sehr wichtig. Ich war so stolz am Ende dieses Tages!
TP: Beschreib doch bitte nochmal kurz, worum es in Ermafrodito –Harlows Begehren/ The Anatomist geht?
EP: Im Venedig der Renaissance trifft der leidenschaftliche Anatom Giorgio auf den Hermaphroditen Harlow, der sofort sein wissenschaftliches Interesse weckt. Giorgios bisheriges menschliches Versuchsobjekt Belfore – mit dem er auch eine körperliche Beziehung führt – ist davon natürlich wenig begeistert. Womit keiner der beiden gerechnet hat, ist, dass Harlow Gefallen an Belfore findet und ihn für sich gewinnen will … Diese Dreiecksbeziehung war am Anfang noch gar nicht geplant, sondern hat sich erst während meiner Recherche ergeben.
TP: In Deutschland ist dein Manga unzensiert erhältlich und beinhaltet einige explizite Szenen. Amerika ist hingegen für seine konservativen Ansichten bekannt. Mussten Inhalte im Buch angepasst oder verändert werden, damit Ermafrodito amerikakonform erscheinen kann?
EP: Bisher gab es inhaltlich kaum Veränderungen. Der Titel wurde zu The Anatomist geändert, was ich super cool finde, denn für mich klingt er wie ein Stephen-King-Roman! Und die Beziehung zwischen Giorgio und Belfore wird nicht als inzestuös dargestellt: Bel ist hier offiziell nur Carraras Lehrling und nicht sein Adoptivsohn. Ich hatte tatsächlich mit größeren und aufwändigeren Änderungen gerechnet, wie zum Beispiel der Zensur der expliziten Szenen oder ähnliches. Aber ich bin sehr froh, dass meine Geschichte fast genauso, wie ich sie ursprünglich gezeichnet habe, jetzt zu neuen Lesern in den USA finden kann.
Vielen Dank für das Interview und wir freuen uns schon auf weitere Geschichten von dir!